Professor Fischer

Fachschaft: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns nehmen. Die erste Frage haben Sie ja schon beantwortet, indem Sie sich einen Kaffee geholt haben.

Fischer: Was wäre denn die erste Frage gewesen?

Fachschaft: Trinken Sie lieber Kaffee oder Tee?

Fischer: Kaffee. Allerdings nicht übermäßig viel, etwa zwei bis drei Tassen am Tag.

Fachschaft: Wie sind Sie an die TU gekommen?

Fischer: Vielleicht darf ich da ein klein bisschen ausholen. Ich habe in Tübingen bei Prof. Reinhard Alkofer promoviert und dann eine typische Postdoc-Karriere gemacht. Ich war zunächst für ein halbes Jahr in Heidelberg und bin dann mit einem DFG-Stipendium nach Durham gegangen. Durham liegt im Norden Englands bei Newcastle und beherbergt das IPPP. Das ist eines der größeren Labs in Europa, die sich mit der Theorie der Teilchenphysik beschäftigen. Nach zwei Jahren am IPPP wollte ich zurück nach Deutschland und da stand Darmstadt mit der TU, der GSI und der Aussicht auf FAIR für mich an oberster Stelle.

Fachschaft: Sie haben hier in Darmstadt eine Helmholtz-Nachwuchsgruppe. Wie sind Sie dazu gekommen?

Fischer: Wenn Sie ein, zwei Postdocs hinter sich haben brauchen Sie einen Karriereplan. D. h. Sie müssen sich darüber klar werden, wie Sie sich für eine permanente Stelle qualifizieren können. Ich denke, im Moment gibt es da im Wesentlichen drei Optionen: das ist die Habilitation, das sind Nachwuchsgruppen, wie z. B. Emmy-Noether- oder Helmholtz-Nachwuchsgruppen, und das ist die Juniorprofessur. Die interessanteste Option dieser Dreien ist die Helmholtz-Nachwuchsgruppe, und zwar, weil man dort fünf bzw. sechs Jahre intensiv unterstützt wird und hinterher die Tenure Track-Option[1] hat. Ich habe mich mit einem Forschungsplan auf eine solche Nachwuchsgruppe beworben und war erfolgreich. Der Fachbereich hat mich dann zusätzlich auf eine Juniorprofessur berufen, worüber ich natürlich sehr glücklich bin.

Fachschaft: Können Sie Ihr Forschungsgebiet uns allgemein, also auch für niedrige Semester verständlich skizzieren?

Fischer: Es gibt in der Natur vier fundamentale Kräfte: Gravitation, Elektromagnetismus, die sogenannte schwache Kraft und die starke Kraft. Davon hat mich schon immer die starke Kraft fasziniert, das ist die Kraft, die im Inneren von Atomkernen wirkt. Ein Atomkern ist aufgebaut aus Protonen und Neutronen, Protonen und Neutronen wiederum aus Quarks, und die Quarks wechselwirken miteinander durch die starke Wechselwirkung. Die starke Wechselwirkung besitzt nun zwei fundamentale Eigenschaften, die aus meiner Sicht hochgradig interessant sind. Zum einen ist es das Confinement und zum anderen die chirale spontane Symmetriebrechung, d. h. die dynamische Massenerzeugung der Quarks. Confinement bedeutet, dass man Quarks nicht aus diesen Protonen und Neutronen isolieren kann. Und das ist aus philosophischer Sicht eine hochgradig interessante Eigenschaft. Seit der Mensch die Natur beobachtet, hat er es mit Systemen zu tun, die er in kleinere Systeme teilen und untersuchen kann. Wenn Sie z. B. ein Atom untersuchen dann sehen Sie, dass das Atom aus Kern und Hülle besteht und Sie können Kern und Hülle voneinander trennen, indem Sie das Atom ionisieren. Ebenso können Sie die Atomkerne spalten und somit in kleinere Systeme teilen. Bei den Protonen wissen Sie von Streuexperimenten, dass im Proton drei Quarks sitzen. Aber Sie können das Proton eben nicht in einzelne Quarks teilen. Warum das so ist, ist nicht im Detail geklärt und somit eine spannende offene Frage. Die zweite interessante Eigenschaft der starken Wechselwirkung ist, dass sie Masse erzeugt. Durch den Austausch von Gluonen, den Trägern der starken Wechselwirkung, erhalten die eigentlich viel leichteren (up- und down-) Quarks eine Masse von etwa einem Drittel der Protonenmasse. Beide Eigenschaften, Confinement und dynamische Massenerzeugung der Quarks, führen zu experimentell beobachtbaren Eigenschaften: den Spektren und Zerfallseigenschaften der stark wechselwirkenden Teilchen. In meiner Forschung versuche ich diese beiden Mechanismen besser zu verstehen und aus den fundamentalen Eigenschaften der starken Wechselwirkung Observablen zu extrahieren.

Fachschaft: Sie können sich sicherlich noch an Ihr eigenes Studium erinnern. Was waren denn die markanten Punkte, was hat Sie begeistert, was bleibt in Erinnerung vom Studium?

Fischer: Ich habe in Tübingen studiert und das Erste, was mir dazu einfällt, ist das dortige Tutorensytem.

Wir hatten vor dem ersten Semester einen mathematischen Vorkurs in den Semesterferien, der vom fachlichen her vollkommen inakzeptabel war, in dem alles viel zu schnell ging und man eigentlich kaum etwas verstanden hat. Aber das war ein ideales Vehikel, um meine Mitstudenten kennen zu lernen. Ich hab aus diesem Vorkurs vier Freunde mitgenommen, mit denen zusammen ich mein ganzes Studium verbracht habe. Und die Zusammenarbeit in kleinen Gruppen ist essenziell, gerade in einem Fach wie Physik. Wenn man ein Einzelkämpfer ist und versucht alles alleine zu verstehen, dann ist es viel schwieriger. Dieses Arbeiten in Gruppen ist dort sehr unterstützt worden, wir hatten ein begleitendes Tutorensystem, zum Beispiel in der theoretischen Physik, für das es damals auch einen Lehrpreis gab. Es gab nicht nur reguläre Übungsgruppen, sondern man hat sich zusätzlich in Dreiergruppen einmal pro Woche getroffen und hat die Aufgaben gelöst. Das war ein viel intensiveres Arbeiten und Betreuen als in großen Übungsgruppen. Später habe ich als Diplomand selber diese Kurse unterrichtet. Gerade das hat mir sehr viel gebracht. Man ist als Diplomand noch sehr viel näher an den Problemen, die man als Student hat und man sieht viel mehr, wo es Probleme gibt, die man klären kann. Außerdem lernt man selber noch einmal diesen Stoff. Dieses Tutorensystem hatte Vorteile für alle Seiten. Vielleicht kann man so etwas auch hier einmal verwirklichen.

Fachschaft: Sie waren in England, wie hat Ihnen das englische Essen gefallen?

Fischer: (lacht) Diese Frage bekomme ich immer gestellt, wenn ich von England erzähle. Und die Antwort ist: sehr gut. Zum einen ist die englische Küche viel besser als ihr Ruf, zum anderen hatten wir am College eine sehr gute Mensa, besser als die hiesige, wenn ich das so sagen darf. Jeden zweiten Tag gab es da z. B. Lammgerichte, die ich sehr gerne mag. Es ist übringens ein Mär, dass die Pfefferminzsoße so schlecht schmeckt.

Fachschaft: "Das arme Wildschwein."[2]

Fischer: Also im Gegenteil, sie schmeckt sehr hervorragend. Wir haben uns dann dort ein englisches Kochbuch gekauft und einfach so rauf und runter gekocht, was darin gestanden hat. Ich mochte das englische Bier auch sehr gern, das ist anders als das hiesige - aber es ist sehr gut.

Fachschaft: Sie haben erwähnt, dass die Mensa Ihnen hier nicht so gefällt; gehen Sie häufiger hier in die Mensa?

Fischer: (lacht) Ja, ich gehe sogar fast jeden Tag hier in die Mensa. "Nicht so gefällt" ist etwas übertrieben, ich habe das Gefühl es ist in letzter Zeit - wenn ich mich zurückerinnere - eher schlechter geworden von der Qualität und Auswahl her. Und das finde ich schade.

Fachschaft: Sie beschäftigen sich ja mit Quarks. Haben Sie in der Mensa einen Lieblingsquark?

Fischer: Eigentlich esse ich nicht so viel Quark, aber wenn dann den mit den Waldfrüchten!

Fachschaft: Das ist dann eindeutig ein rotes Quark. Sie hatten schon ein paar Andeutungen gemacht, dass Sie auch philosophisch interessiert sind: Haben Sie in Ihrem Studium neben der Physik noch andere Dinge gehört?

Fischer: Ja, es ist sogar noch schlimmer! Ich habe mein Studium mit Germanistik, Geschichte und Philosophie begonnen, und zwar zwei Jahre lang. Hintergrund ist: Ich hatte, wie wohl viele Leute, die Physik studieren, Mathe und Physik LK an der Schule und irgendwie war das immer mein Berufswunsch. Aber nach der Schule hatte ich das Gefühl, wenn ich jetzt gleich anfange Physik zu studieren, dann mache ich mein ganzes Leben lang nichts anderes, und das wäre zu einseitig. Und daher habe ich mir Alternativen überlegt und die Philosophie hat mich schon immer sehr stark interessiert, auch Literatur hat mich stark interessiert. Und das Ganze dann mit Geschichte zu verknüpfen, war für mich eine interessante Kombination, mit der Idee etwas wie Journalismus zu machen.

Ich habe aber nach einiger Zeit festgestellt, dass es zwar sehr viel Spaß macht und mir auch einigermaßen leicht gefallen ist, dass es aber viele Leute gibt, denen es genauso geht, und dass die Jobaussichten dementsprechend gering sind. Mich haben zum einen die Zukunftsaussichten abgeschreckt und zum anderen hatte ich das Gefühl: das ist nicht das, was du am Besten kannst. Und auf lange Sicht, glaube ich, wird man glücklicher, wenn man das macht, was man wirklich am Besten kann. Da kam die Idee, doch zur Physik zur wechseln, am Anfang noch mit dem Gedanken hinterher so etwas wie Wissenschafts-Journalismus zu betreiben. Doch je länger ich Physik gemacht habe, desto mehr hat mich die Aussicht fasziniert selber als Wissenschaftler zu arbeiten.

Neben dem Physikstudium habe ich aber noch mein Philosophie-Magister abgeschlossen.

Fachschaft: Was würden Sie Studienanfängern empfehlen? Worauf soll man im Physikstudium achten?

Fischer: Mein größter Tip ist, dass die Studierenden sich unbedingt in kleinen Gruppen zusammenschließen und das Studium gemeinsam machen. Das ist ganz, ganz wichtig.

Ansonsten noch: Dranbleiben - Augen zu und durch! Es gibt immer zwischendrin Phasen, bei denen man als Student das Gefühl hat, man ertrinkt in all den vielen Übungsaufgaben, die man machen muss. Ich glaube, dass es in solchen Phasen wichtiger ist, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, wenn es nicht anders geht. Das könnte als Überlebenshilfe ganz gut sein.

Leider geht im Moment durch die Bachelor-/Master-Studiengänge etwas verloren, was ich im Diplomstudiengang als Vorteil empfunden habe, nämlich die kumulativen Prüfungen. In den Vordiploms- und Diplomprüfungen wurden häufig mehrere Veranstaltungen in einer Prüfung gemeinsam abgeprüft. Beim Lernen auf diese Prüfungen, was schon mal vier, fünf Wochen brauchte, hat man erst die Zusammenhänge gesehen, die man beim Lernen auf einzelne Klausuren nicht unbedingt sieht. Was ich also unbedingt raten würde, ist, die Semesterferien nicht nur zum Ausspannen oder Geldverdienen zu nutzen, sondern sich auch mal ein, zwei Wochen hinhocken und ganz gezielt versuchen solche Zusammenhänge zu sehen. Das ist nicht einfach, da braucht man etwas Selbstdisziplin um das zu machen. Es ist aber auf jeden Fall sehr hilfreich, wenn man später einmal promovieren und wissenschaftlich arbeiten will.

Fachschaft: Was machen Sie zum ausspannen?

Fischer: Im Moment heißt Ausspannen bei mir mit meiner Familie zusammen zu sein und mit den Kindern etwas zu machen.

Früher habe ich zusammen mit meiner Frau sehr intensiv getanzt, ein paar Jahre lang auch unterrichtet. Das war für mich ein ganz toller Ausgleich, weil man sich bewegt, es mit Musik zu tun hat, und man etwas mit Leuten zusammen macht. Wenn die Kinder größer sind, werden wir das ganz sicher wieder anfangen.

Ansonsten natürlich auch die üblichen Sachen, also lesen, Musik hören und in Urlaub fahren.

Fachschaft: Wie viele Stunden Arbeitszeit haben Sie etwa pro Woche?

Fischer: Ich habe das noch nie gezählt. Ich denke schon, dass das so 45-50 Stunden sein werden.

Fachschaft: Hört die Arbeit denn auf sobald Sie aus der Uni rausgehen?

Fischer: Nicht immer. Das ist eine gute Frage! Ich versuche das so zu machen. Es gibt ja Leute, die nehmen gerne Arbeit mit nach Hause, aber das möchte ich gerade nicht machen, vor allem weil da meine Familie drunter leiden würde. Ich versuche deswegen abends aus dem Institut zu gehen und abzuschalten - das ist nicht immer einfach, vor allem bei Sachen, die sie mit Leib und Seele machen, ist das furchtbar schwierig. Ich bearbeite manchmal noch meine E-Mails abends von zu Hause, weil das recht einfach geht. Aber die Wochenenden versuche ich möglichst freizuhalten.

Fachschaft: Wenn man als Student zu Ihnen in die Arbeitsgruppe will, also Interesse an Quarks und anderen ganz kleinen Dingen hat, was muss man dann an Voraussetzungen mitbringen?

Fischer: Fangen wir mit der Masterarbeit an, das ist leichter: Auf jeden Fall einen guten Hintergrund in theoretischer Physik. Wenn man in den Übungsgruppen nicht so erfolgreich abgeschnitten hat, merkt man ja selber, dass man nicht in die Theorie gehen sollte. Dann ist es definitiv hilfreich, wenn man im Master die Vorlesungen "Höhere Quantenmechanik", "Einführung in die Elementarteilchenphysik" und die "Einführung in die Quantenfeldtheorien" hört. Das ist aber keine strikte Voraussetzung.

Bei Bachelorarbeiten ist es generell nicht einfach auf meinem Gebiet geeignete Themen anzubieten, weil ihnen als Student schlichtweg die nötigen theoretischen Grundlagen fehlen. Da ringe ich im Moment noch mit mir selber und bin dabei weitere Themen zu suchen. Ich hatte bisher einen Bachelorstudenten, da gab es ein passendes Thema, und das hat auch gut funktioniert.

Fachschaft: Ich sehe hier einige Bücher über Programmiersprachen, gehört das auch zu den Voraussetzungen?

Fischer: Ja, unbedingt. Es gibt im Prinzip kaum mehr Probleme, die man analytisch lösen kann. Also Spaß am Programmieren und Programmierkenntnisse sind wichtig. Etwa die Hälfte einer typischen Master-Arbeit ist ganz sicher, dass man numerische Programme schreibt. Wir benutzen da in der Regel Fortran95 oder C++. Andere Sprachen wie z. B. Java sind nicht geeignet, da es für diese keine Compiler gibt, die entsprechend schnellen Code produzieren. Die Probleme sind manchmal so kompliziert, dass Runtime ein essenzieller Faktor ist.

Es gibt einiges, was auf einem handelsüblichen Rechner läuft. Häufig werden die Programme aber auch parallelisiert und wir lassen sie auf dem Rechner-Cluster des Instituts laufen. Ein typisches Programm läuft dann einen Tag auf 16 Prozessoren statt 16 Tage auf einem einzelnen Rechner. In dieser Größenordnung bewegen wir uns manchmal.

Fachschaft: Vielen Dank für das Interview. Es hat uns viel Spaß gemacht.

Fischer: Mir auch, danke.

(von Philipp John und David Scheffler im April 2008)

 

[1]Tenure Track heißt, man wird nach drei Jahren evaluiert und wenn die Evaluation positiv verläuft, wird man hinterher permanent an demjenigen Helmholtzinstitut beschäftigt, das diese Nachwuchsgruppe unterstützt, in meinen Fall die GSI.

[2]Filmtipp: Asterix bei den Briten

 

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