Professor Fujara

Prof. Dr. Franz Fujara wird die Anfangsvorlesung Experimentalphysik I halten. Der aus einem Dorf in Westfalen stammende Professor Fujara hat von 1970 bis 1975 in Heidelberg studiert und beschäftigte sich in seiner Diplomarbeit mit Kernspinresonanz mit neutronenaktivierten Kernen an einem Forschungsreaktor. Dieses Projekt führte er im Rahmen seiner Doktorarbeit am damals neu eröffneten Hochflussreaktor am Institut Laue Langevin (ILL) weiter.

Fachschaft: Wenn Sie sich ursprünglich so stark für die Theorie interessiert haben, wie sind Sie dann in die Experimentalphysik gekommen?

Fujara: Ich habe eine Diplomarbeit in der Theoretischen Physik in Heidelberg angefangen. Aber durch einen Zufall bin ich sehr bald zu einem experimentellen Thema gekommen, das ich hochinteressant fand.

Fachschaft: Was sind heute Ihre Arbeitsgebiete?

Fujara: Ich untersuche dynamische Prozesse, also Bewegungen von Atomen, Ionen, Molekülen in Flüssigkeiten, Gläsern, Kristallen sowie weichen und mikrostrukturierten Phasen. Für diese Untersuchungen benutze ich zwei verschiedene experimentelle Methoden: Das ist zum einen die Neutronenstreuung, die ich seit meiner Doktorarbeit maßgeblich am ILL betreibe. Und die zweite Methode ist die Nukleare Magnetische Kernspinresonanz (NMR), die hier im Haus betrieben wird.

Fachschaft: Um welche Fragestellungen handelt es sich dabei konkret?

Fujara: Ein besonderes Interesse in meiner Forschung kommt beispielsweise dem Eis zu, das mit seinen mindestens 13 kristallinen und verschiedenen amorphen Phasen eine außergewöhnliche Rolle spielt. Allerdings nur eine der Phasen, nämlich die Phase I, ist unter den Bedingungen auf der Erde existent. Alle anderen kann man nur unter besonderen Druck- und Temperaturbedingungen im Labor erzeugen. Das macht deutlich, dass Wasser, trotz seines doch recht einfachen Molekülbaus sehr überraschende Eigenschaften hat, die bis heute noch nicht komplett verstanden sind.

Insbesondere interessiert uns der Mechanismus, der für die Bewegung von Wasserstoff verantwortlich ist. Wir haben Indizien gefunden, dass der dominante Prozess in Eis nicht wie bisher angenommen durch einzelne Protonen zustande kommt, sondern hauptsächlich durch ganze Wassermoleküle.

Verblüffend ist auch, dass Wassermoleküle in natürlichem Eis eine weitgehend unstrukturierte H-Anordnung haben. Das dürfte eigentlich nicht sein. Denn die Teilchen würden das stabilste System bilden, wenn alle elektrischen Dipole gleich ausgerichtet wären. Das kann man aber nur im Labor erzeugen; in der Natur wurde das erstaunlicherweise nicht beobachtet. In der Physik ist amorphes Material ein Stoff, bei dem die Atome keine geordneten Strukturen, sondern ungeordnete Muster ausbilden.

Fachschaft: Gibt es sonst noch ein Engagement das Sie verfolgen?

Fujara: Oh, ja, ich bin auch Mitglied in der IANUS Gruppe in Darmstadt. Diese Tätigkeit nimmt einen großen Stellenwert in meinem Leben ein. Man könnte sogar sagen, ich habe noch ein zweites Leben neben meiner Physikprofessur. IANUS steht für Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit. Es ist eine Zusammenkunft von Wissenschaftlern, die sich der großen Interdisziplinarität verschreibt und sich nicht nur auf die Physik beschränkt sondern zum Beispiel auch politikwissenschaftliche Aspekte betrachtet. Es geht also um Fragen, die für Naturwissenschaft und Technik relevant sind und den Menschen betreffen. Nimmt man das Beispiel Kernfusion: Ein physikalisches Thema ist die Beschäftigung mit den Materialien der 1. Wand und wie sie diesen enormen Belastungen standhalten kann. Aber es geht auch darum, welche Implikationen die Kernfusion für die Gesellschaft hätte. Und welche Auswirkungen hätte die Bereitstellung einer Technik, die unendlich viel Energie für den Menschen verspricht?

Fachschaft: Was möchten Sie den Physikstudenten als Botschaft oder Empfehlung für das Studium ans Herz legen?

Fujara: Also sie sollen sich nicht abschrecken lassen!

Selbst wenn sie während eines Großteils des 1. Semesters große Probleme haben. Das hat nichts zu bedeuten. Anfangsschwierigkeiten sind normal, gerade bei denen, die in der Schule nicht so viel Mathematik hatten. Ich kenne Fälle, die erst im 2. oder 3. Semester rangekommen sind.

Fachschaft: Wie wollen Sie einen guten Kompromiss zwischen Didaktik und fachlichen Anspruch herstellen?

Fujara: Am wichtigsten halte ich es, die Vorlesung möglichst langsam anzufangen. Ich möchte die Dinge in einer Geschwindigkeit präsentieren, in der sie auch aufgenommen werden können. Dazu gehört auch, keine vorbereiteten Folien zu verwenden, sondern auch selbst live auf einer Folie zu schreiben. Dabei ist es wichtig, dass ich auch selbst mal einen Fehler mache (natürlich nicht absichtlich) - das ist, glaube ich, wichtig für die Zuhörer. Außerdem werde ich kein Skipt bereitstellen, weil sich die Studenten sonst nur auf die Formeln in diesem Skript konzentrieren. Stattdessen sollen die Studenten lernen sich auch selbst mit Büchern auseinander zu setzen. Auch halte ich die Diskussion in der Vorlesung für wichtig.

Fachschaft: Was halten Sie von dem Bachelor/Master-System?

Fujara: Das Bachelor/Master-System (BaMa-System) hat sicher gewisse Vorteile, wie zum Beispiel die horizontale Durchlässigkeit der Hochschulen in Europa. Aber ich habe Angst, dass das BaMa-System eine gewaltige Verschulung des Hochschulsystems mit sich bringt. Deswegen war und bin ich ein Kritiker des BaMa-Systems!

Fachschaft: Was ist Ihnen an der Physik wichtig?

Fujara: An der Physik interessiert mich die theoretische Physik vielleicht sogar mehr als die Experimentalphysik. Was ich auch grundsätzlich über die Physik sagen würde: Ich bin mir gar nicht sicher, ob das unter dem Strich alles so positiv ist, was bei der Anwendung physikalischer Techniken und Artefakten herausgekommen ist. Mich interessiert die Physik überhaupt nicht wegen der Anwendung, sondern vielmehr finde ich den physikalischen Zugang der Naturbeschreibung, nicht der Naturveränderung, zusammen mit der Mathematik und der Philopsophie sehr interessant.

Fachschaft: Wenn Sie heute nocheinmal studieren könnten, welches Studienfach würden Sie wählen?

Fujara: Also ich würde nicht nur Physik alleine, sondern auch sehr viel Philosophie und Soziologie, also die Gesellschaft und den Menschen studieren. Das heißt eigentlich würde ich am liebsten alles studieren.(lacht)

Fachschaft: Was waren denn damals in der Schule Ihre Lieblingsfächer?

Fujara: Am Anfang meiner Schulzeit waren das Geschichte und Geographie. In der Oberstufe gab es einen fantastischen Lehrer, der in mir das Interesse an der Mathematik und später dann auch an der Physik geweckt hat. Was mir an seinem Unterricht besonders gefallen hat, war, dass er Mathematik und Physik als eine Art Philosophie betrachtet hat.

Fachschaft: Was würden Sie einem Physikstudenten raten, was er später machen solle?

Fujara: Er soll nicht soviel drüber nachdenken, was er später einmal machen wird. Das Entscheidende ist, dass er das macht, was ihn interessiert. Viele gucken zu sehr darauf, was nützlich für sie ist. Aber man wird im Leben später immer wieder gezwungen Kompromisse zu machen. Mein Rat wäre: Möglichst lange möglichst wenig opportunistisch sein, sich möglichst lange möglichst breit bilden, über den Tellerrand hinausgucken und das machen, wofür man sich besonders interessiert. Das dann aber auch mit Engagement und Begeisterung!

Fachschaft: Was würden Sie an einem freien Nachmittag machen?

Fujara: Ich habe zu Hause einen Stapel Bücher, die ich unbedingt lesen muss und will, aber leider zuwenig Zeit dazu habe. Außerdem spiele ich unheimlich gerne Schach. Sie können ruhig in die Happy Physics schreiben, dass ich auf der Suche nach Schachpartnern bin. Nicht, dass das falsch verstanden wird - ich bin kein besonders guter Schachspieler.

Fachschaft: Angenommen, Sie könnten bei einer Verbannung auf eine einsame Insel nur 5 Sachen mitnehmen. Was wäre bei Ihnen dabei?

Fujara: Nun, vielleicht 5 Bücher. Darunter wäre mindestens eines von den großen russischen Romanen wie z.B. Anna Karenina von Tolstoi oder ein Werk von Dostojewski. Weiterhin versuche ich schon seit mehreren Jahren Polnisch zu lernen, also wäre ein Polnischlehrbuch mit dabei. Außerdem würde ich die drei Bücher aus der Feynman-Reihe mitnehmen (zusammengeklebt, damit es als eines zählt) und einen dicken Band deutscher Lyrik. Dann habe ich letztens eine wunderbare Biographie von Kant gelesen und die würde ich auch gerne mitnehmen.

Fachschaft: So wir haben nun keine weiteren Fragen mehr. Wir möchten uns sehr für das Interview bedanken und wünschen Ihnen alles Gute für die kommende Experimentalphysikvorlesung.

(von Sven Ahrens und Anna Maria Heilmann im Dezember 2005)

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