Professor Walser

Fachschaft: Als Erstes möchten wir Sie ganz herzlich Willkommen heißen an der Technischen Universität Darmstadt und auch hier in der Gegend um Darmstadt. Am Besten wäre es, wenn Sie uns einmal kurz Ihren Werdegang schildern könnten.

Walser:Also ich habe in Innsbruck studiert und bei Herrn Prof. Zoller 1995 promoviert.

Einen Teil meiner Dissertation konnte ich in Boulder an der University of Colorado/JILA absolvieren. Dieser erste Aufenthalt in den USA war natürlich eine sehr spannende Zeit, zudem sind die Rocky Mountains eine bezaubernde Gegend.

Nach meiner Promotion bin ich gleich wieder nach Colorado gegangen, da ich nun schon wissenschaftliche Kontakte geknüpft hatte und mir Land und Leute sehr gut gefielen. Dort konnte ich dann weitere Jahre als Post-Doc bei Prof. Holland und Prof. Cooper arbeiten. Eines der Dinge, die ich am JILA kennen und schätzen gelernt habe, war die enge Zusammenarbeit zwischen Theoretikern und Experimentatoren, da dieses Institut vom Konzept her interdisziplinär ausgelegt ist. Die drei Nobelpreise an E. Cornell, C.~Wiemann (2001) und J. Hall (2005) sprechen für sich.

Aufgrund der Arbeit, die ich in dieser Zeit geleistet hatte, erhielt ich ein APART-Habilitationsstipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Dieses Stipendium ist sehr flexibel konzipiert und nun war ich zum ersten Mal mein eigener Chef - eine ganz tolle Erfahrung! Um wieder in Europa Fuß zu fassen, habe ich 2002 eine Stelle an der Universität Ulm, am Lehrstuhl von Prof. Schleich angenommen. In den folgenden Jahren konnte ich von ihm den Wissenschafts- und Lehrberuf an einer Universität von der Pike auf erlernen. Neben Studentenausbildung, Vorlesungsbetrieb und Projektarbeit bin ich auch die akademische Leiter vom Habilitanden, Privatdozenten bis zum apl. Professor hochgeklettert.

Zu diesem Zeitpunkt wollte ich dann aber doch einmal das "Universitätsgelände" verlassen und bin in die optische Industrie zu Carl-Zeiss gegangen, um dort Röntgenprojektionsobjektive für die Elektronikindustrie zu entwickeln. Dies war eine sehr interessante Erfahrung, da die Produktentwicklung eines solchen High-Tech-Instrumentes die intensive Zusammenarbeit von Physikern, Ingenieuren, Mathematikern und Betriebswirten erfordert. Als mich dann aber der Ruf aus Darmstadt erreichte und mir die Möglichkeit geboten wurde, meine eigenen Projekte zu verfolgen, habe ich mit Freude angenommen. Meine persönliche Lehre aus der vergangenen Zeit ist, dass sowohl in F/E der High-Tech-Industrie als auch an der Uni überall herausfordernde Themen auf kreative Köpfe warten, dass aber die Zeit, die man zur Verfügung hat, ein beschränktes und daher kostbares Gut ist.

Fachschaft: Und könnten Sie auch mal kurz erläutern, was Sie hier erforschen werden?

Walser: Schon während meiner Dissertation habe ich mich mit kalten atomaren Gasen beschäftigt. Das heißt, wir haben Verfahren untersucht, um die mechanische Bewegung von Atomen im leeren Raum mit Hilfe von Laserlicht von 300K Raumtemperatur auf wenige μK abzukühlen. Damals kamen auch die ersten Ideen auf, was denn passiert, wenn man diese noch tausendfach stärker abkühlt.

In jener Zeit musste ich mich entscheiden, ob ich diese Richtung weiter verfolgen möchte oder doch eher in Richtung Quanteninformationsverarbeitung gehen möchte. Das ist auch ein faszinierendes Thema, das Prof. Zoller stark vorangetrieben hatte und auch hier am Institut für Angewandte Physik erforscht wird. Ich habe mich aber für die kalten Gase entschieden, da man dort gleich etwas "zappeln" sah, was mich intuitiv mehr ansprach.

Wenn man nun diese kalten Atome so stark weiter abkühlt, dann erhält man schließlich größere suprafluide Gaswolken, bestehend aus Millionen von Atomen. Lässt man nun zwei solcher suprafluider Gaswölkchen aufeinander treffen, dann können diese wie Wasserwellen interferieren. Anschließend fliegen sie aber wieder auseinander und sind wieder wie klassische Wölkchen. Das ist schon sehr verblüffend.

Heutzutage verwendet man die kalten Gase wie quantenmechanisches "Lego", in dem Sinne, dass man sich Materialien aus einzelnen Atomen passend bauen kann, deren Wechselwirkungen steuert und damit Versuche realisiert, die Vielteilchenphänomene aus Kern- oder Festkörperphysik widerspiegeln.

Wenn man die Atomphysik der vergangen Jahrzehnte revue passieren lässt, so hat man sich zunehmend kleinere Systeme, also mit immer weniger Atomen angesehen, bis man schließlich nur mehr ein einzelnes Atom hatte, das man aber bis auf das Quantenniveau perfekt kontrollieren kann. Heutzutage geht die Kurve nun wieder steil nach oben, so dass man jetzt anfängt wieder große Vielteilchenensembles zu betrachten, allerdings mit kontrollierten kohärenten Wechselwirkungen. Man baut sich sozusagen die Materie von einem Atom ausgehend mit vorbestimmten Eigenschaften auf, Designermaterie vom Reißbrett sozusagen.

Eine andere interessante Sache, die man mit suprafluiden Systemen machen kann, ist die Simulation von Gravitationstheorie im gekrümmten Raum.

Fachschaft: Im Wintersemester werden Sie für die Erstsemester die Vorlesung Rechenmethoden halten. Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Semester?

Walser: Ja, ganz deutlich. Man kommt an die Uni, alles ist anders, neu und auch mit sehr viel Arbeit verbunden. Ich hatte damals bei einem Algebraiker die Lineare Algebra gehört und war frustriert über diese Satz-Theorem-Korollar-Struktur der Vorlesung. Ich erinnere mich noch ganz bildlich an den Beweis, dass es nur eine allgemeinste multilinear-alternierende Abbildung gibt, also die Determinante, die ich aber schon lange kannte.

Es gab aber auch eine Rechenmethodenvorlesung, bei der man ganz pragmatisch rechnete und plausibel erklärte. Da war ich sehr erleichtert, dass auch Mathematiker dreidimensionale Integrale hinschreiben und mit echten Matrizen rechnen. Das hat mich dann wieder etwas versöhnt, als ich gesehen habe, dass ich schon etwas weiß und irgendwie alles zusammen passt. Man muss also nicht immer wieder alle Werkzeuge durch Ableiten und vollständige Induktion testen. Wenn man die Wirkungsweise und den Anwendungsbereich einmal verstanden hat, dann kann man sich auf seine "Bohrmaschine" verlassen, ohne sie immer wieder zu zerlegen.

Fachschaft: Was würden Sie den Erstsemestern mit auf den Weg geben?

Walser: (überlegt) Also, man muss ein gewisses Frustrationsniveau mitbringen, man muss neugierig sein, und - ja wie heißt es so schön - es ist ein Prozent Inspiration und neunundneunzig Prozent Transpiration. Ich denke, konkret bei der Vorlesung Rechenmethoden muss es so sein: "Nur selber essen macht fett". Man muss die Methoden selbst richtig verwendet haben. Mathematik ist für jeden Naturwissenschaftler die Sprache, die man als gut beherrschen muss, um Ideen auszudrücken und sich mit seinen Kollegen unmissverständlich austauschen zu können. Bei den Rechenmethoden möchte ich erreichen, dass so viele wie möglich den Test bestehen. Mein Ziel sind 100 Prozent, aber dass erfordert konsequente Mitarbeit im Semester.

Fachschaft: Wussten Sie schon von Anfang an, dass Sie Physik studieren wollten oder gab es eine Alternative?

Walser: Ja, das wusste ich eigentlich von Anfang an, so seit ich 14 oder 15 bin. Ich hatte schon bei Physik- und Matheolympiaden mitgemacht, das hat mir Spaß gemacht. Am Anfang meines Studiums hatte ich auch noch Mathematik studiert, aber das wurde mir dann zu abstrakt. Ich glaube, dass es in der Physik eine relativ eingeschränkte Anzahl von Ideen oder Modellen gibt. Die sind aber so universell, dass man damit z.B. von Quark-Gluonen-Plasmen, bis zu ultrakalten Gasen oder Neutronensternen alles mit so ähnlichen Konzepten beschreiben kann. Das finde ich erstaunlich. Ein anderes Beispiel, das man nicht gleich mit Physik verbinden würde: Wenn hinreichend viele Leute in einem Konzertsaal klatschen, so beginnen sie sich irgendwann zu synchronisieren. Es findet also ein Phasenübergang statt, ähnlich wie beim Gefrieren von Wasser. Ich empfinde es als großen Luxus, als Unilehrer dafür bezahlt zu werden, solche und viele neue Dinge verstehen zu dürfen. Ich möchte dieses Erstaunen als auch die Befriedigung, eine Erklärung zu finden gerne weitergeben.

Fachschaft: Wenn Sie nicht gerade Neues auf der Arbeit lernen, wie verbringen Sie Ihre Freizeit?

Walser: Ich glaube fest an ein Leben nach der Arbeit (lacht). Man sollte halt die richtige Zeitbalance finden. Als Tiroler gehe ich natürlich gern Skifahren und Bergsteigen, das kann man ja, bevor man hochdeutsch sprechen lernt. In Ulm habe ich mit dem Segelfliegen angefangen. Das Spiel mit dem Wind und mit den Vögeln um die Wette zu kreisen ist sehr schön. Mindestens 50 km/h sollte man schon fliegen, sonst fällt man runter, dann aber kann man eine ganze Weile oben bleiben. Außerdem bin ich gerade beim Umziehen, in Richtung Odenwald ... eine sehr hübsche Gegend.

Fachschaft: Sie sagten gerade selbst, Sie sind gerade am umziehen. Wie sind denn Ihre ersten Eindrücke von Darmstadt und Umgebung?

Walser: Sehr gut. Die Leute sind extrem freundlich und hilfsbereit. Ich habe auch von der Fakultät und den Kollegen am IAP große Unterstützung bekommen, es ist also sehr kollegial. Ich war schon im Woog schwimmen und bin gerade drei Tage in Bad Honnef am Rhein gewesen. Hier ist eine Region mit hohem Lebenswert.

Fachschaft: Noch eine kurze, beliebte Frage: Kennen Sie einen Physikerwitz?

Walser: Ich muss zugeben, dass ich selbst die besten Witze in ungefähr einer Millisekunde wieder vergesse. Ich bin aber nicht humorlos, sondern habe einen gewissen spontanen Wortwitz. Wenn genügend Physiker zusammensitzen, dann finden die das auch lustig und man identifiziert halt die anderen als Nicht-Physiker. Das ist ein generelles soziologisches Phänomen.

Fachschaft: Sie haben erwähnt, Sie waren eine gewisse Zeit in Colorado. Die Fachbereiche in Darmstadt machen viel Werbung für Auslandsprogramme. Was halten Sie generell vom Auslandsstudium?

Walser: Ich bin ein großer Befürworter eines Auslandssemesters. Neben der fachlichen Abwechslung des Lehrangebotes an einer anderen Uni reift man persönlich, man erlernt eine Fremdsprache - man ist nicht im Urlaub, sondern muss alle möglichen Alltagsprobleme fern ab von zuhause alleine meistern. Diese Erfahrung ist unbezahlbar.

Fachschaft: Gibt es irgendwelche Vorlesungen, die Sie gerne oder gar nicht in näherer Zukunft halten würden?

Walser: Natürlich gibt es Lieblingsvorlesungen. Für einen Theoretiker sind natürlich die theoretischen Grundvorlesungen spannend, da kann man immer wieder etwas Neues lernen. Im Sommersemester werde ich dann die theoretische Quantenoptik halten. Da kann ich auch meine Interessen darstellen und es wird nicht nur um Laser und Licht gehen, sondern ich werde den Fokus auch auf das Kühlen von Gasen legen. Als Theoretiker ist mir natürlich die Theorie näher, aber wenn man jemanden hat, der schöne Experimente vorbereitet, hätte ich prinzipiell auch nichts dagegen.

Fachschaft: Nun noch eine Frage für die höheren Semester: Was erwarten Sie von Bachelor- bzw. Masterstudenten, die gerne bei Ihnen eine Arbeit schreiben würden?

Walser: Das Bachelorprogramm ist noch etwas Neues für mich und man muss sich gut überlegen, was man in drei Monaten schaffen kann. Ich kann mir aber vorstellen, dass man ein paar grundlegende Artikel oder Buchkapitel liest, versteht und sozusagen als wissenschaftliche Hausarbeit aufschreibt. Ich glaube, die meisten Leute gehen lieber zu einem Experimentalphysiker, da sie dessen Arbeit besser einschätzen können. Das finde ich schade, da es auch in der Theorie schöne und interessante Themen für drei Monate gibt.

Fachschaft: Haben Sie Mitarbeiter mitgebracht oder bauen Sie Ihre Gruppe von Grund auf neu?

Walser: Ich habe noch drei Doktoranden in Ulm und suche jetzt Mitarbeiter und Diplomanden. Wenn Interesse besteht, einfach vorbeikommen. Ich erzähle gerne, was ich mache. Ich habe verschiedenste Projekte z.B. mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik und Themen in Kooperation mit Carl-Zeiss. Da ist für jeden klugen und fleißigen Kopf etwas dabei!

Fachschaft: Dann bedanken wir uns für Ihre Zeit und Ihre Geduld für das Interview und wünschen Ihnen alles Gute in Darmstadt und für die kommenden Vorlesungen!

 

(von Marc Bausch und Beke Kremmling im August 2009)

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