Professor Vogel

Prof. Dr. Michael Vogel (Jahrgang 71) hat in Bayreuth Physik studiert. Im Frühjahr 2008 wechselte er von der Uni Münster zum Darmstädter Institut für Festkörperphysik und leitet die Arbeitsgruppe "Molekulare Dynamik in kondensierter Materie".

 

Fachschaft: Professor Vogel, was fasziniert Sie an der Physik?

Vogel: Ach du Schreck... Alles natürlich (lacht). Zunächst Mal macht es unheimlich viel Spaß, Physiker zu sein und sich mit Physik zu beschäftigen. Es kommen ständig neue Fragestellungen auf einen zu und man versucht sie zu lösen, über das Bestehende hinauszugehen und dadurch die Welt vielleicht immer besser verstehen zu können, auch wenn man es wohl nie ganz schaffen wird.

Fachschaft: Also das Faust'sche "Was die Welt im Innersten zusammenhält"?

Vogel: Ja, überspitzt formuliert schon.

Fachschaft: Wie sind Sie denn ursprünglich zur Physik gekommen?

Vogel: Ich war niemand, dem vom fünften Lebensjahr an klar war, dass ich Physik studieren will. Mit fünfzehn oder so wollte ich Sport studieren, aber gegen Ende der Schullaufbahn hatte ich einige sehr gute Physiklehrer, die das Interesse geweckt haben. In der Schule war ich jedoch eher mathematisch orientiert und hatte Mathe- statt Physikleistungskurs. Mir war aber klar, dass ich nicht Mathematiker werden wollte. Ich fand gerade die Physik faszinierend, auch wegen der verschiedenen Persönlichkeiten, die durch die Nachrichten schwirrten, bei Einstein angefangen. Die tiefsinnigen Antworten, auf die sie kommen. Das hat mich dann dazu bewogen, Physik zu studieren. Die Jobaussichten waren damals auch nicht schlecht, ähnlich wie heute.

Physikprofessor war anfangs nicht mein Berufswunsch. Während der Diplomarbeit habe ich dann gemerkt, dass mir Forschung unheimlich Spaß macht und auch liegt, ebenso wie Lehre. Ich habe nie den Absprung in die Wirtschaft geschafft, sondern die Doktorarbeit drangehängt, dann Post-Doc. So führte eins zum anderen und es hat mir immer mehr Spaß gemacht, bis ich mich trotz der schlechten Berufsaussichten entschieden habe, Physikprofessor zu werden. Ich bin also so peu a peu da reingeschliddert.

Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, selbst für das doppelte oder dreifache Gehalt in der Wirtschaft zu arbeiten.

Fachschaft: Sie haben sich also gedacht, lieber etwas weniger Geld, dafür mehr Freiheit und auch mehr Freizeit?

Vogel: Ursprünglich habe ich das so gedacht (lacht). Wenn ich mir so meine Studienkollegen anschaue, die jetzt in der Wirtschaft ihre 50-Stunden-Woche haben, stelle ich fest, dass auch ich nicht mehr Freizeit habe. Ich habe aber die Freiheit, mir meine Termine etwas einzuteilen und meine Forschung auf das auszurichten, das mich interessiert, während in der Industrie das Forschungsfeld in der Regel vorgegeben wird.

Fachschaft: Auch wenn Sie nicht viel Freizeit haben, was machen Sie denn mit der wenigen?

Vogel: Zunächst Mal habe ich zwei kleine Kinder, sechs und fünf. Die nehmen einen Großteil der Freizeit in Anspruch, gerade am Wochenende wollen sie Action haben. Ich war schon immer dem Sport zugeneigt und mache immer noch gern Sport und schaue ihn auch im Fernsehen. Ab und zu lese ich auch mal ein Buch, aber da ist die Lust nicht mehr so da, wenn man schon den ganzen Tag gelesen hat. Ich esse auch gern gut und trinke ein Glas Bier oder Wein, ich komme ja aus Bayern. Ich gehe auch ganz gern mit unserem Hund spazieren oder joggen.

Ich bin jetzt nicht so der Kulturfreak, gehe nicht unbedingt jede Woche ins Theater. Die Kinder nehmen eine Menge Zeit in Anspruch, sie gehen ja zum Sport und zu solchen Dingen und man muss sie hinbringen und zuschauen. Das ist auch neu für mich, wenn man da dem Jüngsten beim Fußball zuschaut. Früher dachte man noch "Warum führen sich denn die ganzen Eltern da so auf?" und jetzt ist man selbst Teil dieser fanatischen Menge.

Fachschaft: Sie sind jetzt seit einem halben Jahr hier in Darmstadt, wie gefällt Ihnen denn die Stadt?

Vogel: Ich wohne außerhalb der Stadt, deswegen habe ich nicht täglich mit der Stadt an sich zu tun. Mir gefällt die Innenstadt sehr gut und die Mathildenhöhe. Darmstadt hat die richtige Größe, nicht zu groß und nicht zu klein. Den Cityring finde ich nicht so prickelnd, ich fahre durch und gut ist.

Mir gefällt sehr, dass die Leute deutlich aufgeschlossener sind als die Westfalen. Diese sind zunächst sehr zurückhaltend. Ich komme hier sehr gut durchs Alltagsleben.

Fachschaft: Es hat einmal ein relativ bekannter Physiker geschrieben: "Meiner Meinung nach müsstet Ihr unbedingt nach Darmstadt gehen. Dort ist ein gutes Polytechnikum." [Albert Einstein im Jahr 1919, Anm. der Redaktion] Wie sehen Sie das? Warum haben Sie sich für Darmstadt entschieden?

Vogel: Erste Antwort: Es war zu dieser Zeit das einzige Angebot (lacht). Ein paar Sachen sprachen dagegen, unter anderem wird man an der TUD nicht verbeamtet. Ich habe aber sehr früh festgestellt, dass das Positive deutlich überwogen hat, deswegen habe ich auch nie gezögert. Einerseits fand ich die Kollegen, speziell hier in der Festkörperphysik, sehr nett und fühlte mich gleich gut aufgenommen. Andererseits nutze ich hier ja Professor Fujaras Kernspinresonanzlabor mit, habe von der Ausstattung her also sehr gute Bedingungen. Die finanzielle Ausstattung ist momentan allerdings ziemlich knapp.

Dafür war ich froh, wieder in den Süden zu kommen.

Fachschaft: Was halten Sie als Franke denn vom Kultgetränk hier, dem Äppelwoi?

Vogel: Ich muss gestehen, dass ich noch keinen Äppelwoi getrunken habe, seit ich hier bin, nur Federweißer. Ich trinke schon gerne mal ein Glas Wein, ich wohne ja in Richtung Groß-Umstadt, wo auch etwas Wein angebaut wird. Die Landschaft finde ich schön, die ganzen Weinberge. Man kann die Zeit sehr gut draußen verbringen. Das Wetter ist auch viel besser, die Niederschlagsmenge ist nicht mit der in Münster zu vergleichen. Das ist natürlich ein positiver Nebenaspekt.

Fachschaft: Sie sagten ja, Sie trinken gerne ein Gläschen Wein. Das Gläschen Wein war auch Bestandteil ihrer Antrittsvorlesung. Womit beschäftigt sich Ihre Arbeitsgruppe?

Vogel: Bewegungsprozesse in ungeordneten Materialien, typischerweise in Gläsern, in weicher Materie, manchmal auch in ungeordneten Kristallen oder in biologischen Systemen. Es ist dabei immer unser Ziel, makroskopische Materialeigenschaften auf Grundlage dessen zu verstehen, was mikroskopisch passiert.

Ein gutes Beispiel ist der Ionentransport, den wir auch untersuchen. Nehmen wir zum Beispiel das Teil hier (zeigt auf das Diktiergerät): Es ist wichtig, dass ein möglichst schneller Ladungs- bzw. Ionentransport stattfindet. Unsere Frage ist letztenendes: Was passiert auf mikroskopischer Ebene? Wie kommen die Ionen durch das Material und was behindert sie vielleicht? Was kann man daraus für die Materialoptimierung lernen?

Ein anderes Beispiel sind biologische Systeme, zum Beispiel Bindegewebe, insbesondere Knorpel: Wie verteilt der Knorpel beim Aufprall die ganze Energie, was passiert da auf molekularer Ebene. Welche Rolle spielt das Wasser, vor allem die Wechselwirkungen zwischen Wasser und Proteinen. Es treten in der Regel sehr komplizierte Bewegungen auf.

Was die Anwendungsgebiete betrifft: Ich habe ja über Gläser promoviert. Die Thematik komplizierter Bewegungsprozesse in ungeordneten Materialien ist geblieben, damals Gläser und jetzt breiter gefächert. Ich bin ja gekommen über diese Ionenleiter, Batteriesysteme, da war ich im Sonderforschungsbereich in Münster. Jetzt beschäftigen wir uns viel mit weicher Materie, also Polymeren und Biopolymeren. Das Schöne ist, dass man Parallelen feststellt und dann eben diese Methoden, die man für die eine Frage entwickelt hat, auf die andere Fragestellung anwenden kann. So würde ich das mal grob umschreiben.

Fachschaft: Wie sind Sie zur Simulation gekommen?

Vogel: Während meiner Doktorarbeit habe ich angefangen, die Messergebnisse begleitend zu simulieren und fand das von Anfang an besonders spannend. Für mich ist Simulation eine Mischung aus Experiment und Theorie und ermöglicht es, Fragestellungen anzugehen, die früher schwer zugänglich waren, Vielteilchensysteme zum Beispiel. Was in den letzten Jahren auf dem Gebiet der Simulationen passiert ist, ist unglaublich, einfach auf Grund der Entwicklung der Computertechnologie.

Um die Simulationen in meiner Arbeit weiter auszubauen, bin ich als Post-Doc in eine reine Simulationsgruppe in den USA gegangen, habe dort die Simulation bewusst von der Pike auf gelernt und zwei Jahre lang kein Experiment gesehen. Seit ich wieder in Deutschland bin, habe ich an der Kombination von Experiment und Simulation gearbeitet und versucht, die Synergieeffekte auszunutzen.

Ich war und bin schon immer ein gewisser Grenzgänger zwischen den Welten der Physik und der Chemie. Das Gute an der Chemie ist, dass man Leute hat, die einem alles präparieren (lacht). Die Herangehensweisen von Chemikern und Physikern sind aber doch ein wenig unterschiedlich.

Fachschaft: Physik ist ja quasi die Mutter der Chemie.

Vogel: Ja, so kann man es sehen, aber das sagen Sie besser keinem Chemiker. Ich war schon immer Physiker und in der Physikalischen Chemie war es auch immer mein Problem, dass ich nicht wirklich den chemischen Hintergrund hatte. Insofern fühle ich mich jetzt ganz wohl wieder zurück in der Physik, da gefällt es mir besser.

Fachschaft: Vielen Dank für das Interview.

Vogel: Gerne. Es hat Spaß gemacht, man wird zum Nachdenken gezwungen und daran erinnert, warum man das eigentlich alles macht.

(von Alexander Bartl und Felix Dietrich im Oktober 2008)

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