Privatdozent Buballa

Fachschaft: Was ist denn für Sie besonders wichtig auf Seiten der Studenten? Also welche Eigenschaften oder auf was legen sie besonders wert?

Buballa: Wichtig ist zunächst einmal, dass man sich immer wieder bewusst macht, dass Physik ein faszinierendes Fach ist, und sich den Spaß daran erhält. Man studiert sowieso nicht Physik, weil man in erster Linie hofft, damit schrecklich viel Geld zu verdienen, sondern ich gehe davon aus, dass jeder, der ein Physikstudium beginnt, dies aus Spaß an der Physik macht. Das können aber durchaus sehr unterschiedliche Aspekte der Physik sein.

Was die „Rechenmethoden“ anbelangt, so klingt das vielleicht erst einmal nach einer eher trockenen Vorlesung. Obwohl die dort behandelten Themen meiner Meinung nach auch für sich genommen durchaus Spaß machen können - ich hoffe, das kommt dann auch rüber -, geht es dabei in erster Linie darum, Techniken zu erlernen, die man dann später auf viel tollere und spannendere Sachen anwenden kann. Das sollte man immer vor Augen haben, um auch mal eine Durststrecke durchzustehen.

Dann noch ein Tipp, der auf den Erfahrungen aus meinem eigenen Studium beruht: Viele, die Physik studieren, waren vorher gut in der Schule und haben noch nie die Erfahrung gemacht, dass sie etwas nicht auf Anhieb verstehen. Sie haben bislang auch nicht viel arbeiten müssen. Das ist zumindest mein Eindruck. Bei mir war das auch so ähnlich. Und dann beginnt man Physik zu studieren und stellt fest, dass das ein sehr schweres Studium ist. Gerade weil die Studenten so gut sind, kann man die Ansprüche eben auch so hoch ansetzen. Zunächst darf man sich davon nicht schockieren lassen, denn die meisten anderen verstehen auch nicht gleich alles; und das muss man erst einmal mitbekommen. Es ist eben schwerer als in der Schule und es wird nicht alles fünf Mal wiederholt für die Langsameren. Deshalb muss man zunächst lernen, diszipliniert zu arbeiten und zu lernen. Wenn man etwas nicht gleich versteht, liegt das meistens nicht daran, dass es intellektuell besonders schwierig ist, sondern dass man sich erst einmal an viele neue Begriffe gewöhnen und diese verinnerlichen muss, indem man mit ihnen arbeitet. Deshalb sind in den meisten Fächern, besonders auch in den Rechenmethoden, die Übungen und Hausaufgaben fast noch wichtiger als die Vorlesung.

Fachschaft: Wo haben Sie studiert und wie ist Ihr bisheriger Werdegang?

Buballa: Ich habe in Bonn studiert und habe dann meine Diplom- und Doktorarbeit am Forschungszentrum Jülich geschrieben. Das ist so ähnlich wie hier mit der GSI: Es gibt Professoren, die in Bonn Veranstaltungen gehalten und in Jülich geforscht haben. Anschließend war ich drei Jahre in den USA, an der State University of New York in Stony Brook auf Long Island. Es war natürlich sehr schön da (lacht): Ich habe direkt am Meer gewohnt und andererseits war New York nur eineinhalb Stunden weit weg - ich bin halt nicht unbedingt ein Großstadtmensch.

Danach bin ich hier nach Darmstadt gekommen. Ich kannte die Stadt vorher gar nicht und sie hat mir besser gefallen, als ich erwartet hatte. Auch die Umgebung gefällt mir sehr gut. Ich bin hier hergekommen als Mitarbeiter von Herrn Wambach und habe mich vor fünf Jahren habilitiert. seitdem bin ich Privatdozent. Meine erste Vorlesung, die ich eigenständig gehalten habe, waren übrigens auch die „Rechenmethoden“.

Fachschaft: Was ist denn der Unterschied zwischen einem Professor und einem Privatdozenten? Also welchen Status hat man an der Universität als Privatdozent?

Buballa: Der traditionelle Weg zum Professor ist die Habilitation. Das heißt, man schreibt noch einmal eine größere Forschungsarbeit, vergleichbar in etwa mit einer Doktorarbeit, jedoch in größerem Umfang und mit höherer Eigenständigkeit. Diese wird dann zu internationalen Gutachtern geschickt. Zum Abschluss des Verfahrens muss man dann noch einen Vortrag halten über ein Feld, auf dem man selber nicht gearbeitet hat. Das Einarbeiten in ein neues Thema soll quasi die Lehrfähigkeiten zeigen. Danach ist man habilitiert und durch einen formlosen Antrag an den Fachbereich wird man Privatdozent. Aber damit ist zunächst keine Stelle verbunden. Ich habe mal gehört, dass man früher als Privatdozent das Recht hatte, bei den Studenten Hörergeld zu kassieren, aber das geht heute leider nicht mehr (lacht). Ich bin jedoch in der glücklichen Lage, eine Stelle am Fachbereich zu haben. Als Privatdozent kann ich mich nun an anderen Universitäten auf Professuren bewerben.

Früher war das sozusagen die Voraussetzung, überhaupt genommen zu werden. Jetzt gibt es seit einigen Jahren die Juniorprofessur, die die Habilitation ersetzen soll. Ich bin also noch vom „alten Schlag“.

Fachschaft:Womit beschäftigen Sie sich in ihrer Forschung?

Buballa: Als Theoretiker am Institut für Kernphysik beschäftige ich mich ganz grundsätzlich mit starker Wechselwirkung. Die grundlegende Theorie ist dabei die Quantenchromodynamik, die zum Beispiel den Aufbau von Protonen und Neutronen aus Quarks beschreibt. Mein spezielles Forschungsgebiet sind die Eigenschaften von stark wechselwirkender Materie unter extremen Bedingungen. Dazu gehören zum Beispiel sehr hohe Temperaturen, wie sie kurz nach dem Urknall herrschten, oder sehr hohe Dichten wie im Inneren von Neutronensternen. Letztere sind mein eigentliches Spezialgebiet. So ein Neutronenstern ist ungefähr eineinhalb mal so schwer wie die Sonne, hat aber nur einen Radius von zehn Kilometern, ist also eine extrem dichte Materie. Man kann sich das ungefähr so vorstellen wie einen großen Atomkern. Die Materie an der Oberfläche ist ungefähr so dicht wie in einem Atomkern und das ist schon verdammt dicht! (lacht) Im Zentrum ist die Materie dann nochmal bis zu zehn Mal dichter, sodass die Quarks möglicherweise nicht mehr in einzelnen Neutronen gefangen sind, sondern sich nahezu frei bewegen können.

Fachschaft: Wie viele Stunden arbeiten Sie denn so am Tag? Können Sie das irgendwie einschätzen?

Buballa: Ich habe zwar einen Vertrag mit einer festen Stundenzahl, es schaut aber hier im Institut niemand auf die Uhr. Das ist auch nicht nötig, denn das Tolle ist gerade, dass wir hier Sachen machen, die uns selber Spaß machen. Daher wird davon ausgegangen, dass man ohnehin mehr macht, als man machen muss. In der Regel komme ich morgens zwischen halb neun und neun und bleibe bis abends um halb sieben oder sieben. Manchmal gibt es aber auch Druckphasen, wo etwas fertig werden muss, und da bleibe ich natürlich länger. Man kann heutzutage mit dem Notebook ja auch zu Hause weiterarbeiten. Das ging früher nicht so einfach.

Fachschaft: Angenommen, Sie hätten einen freien Nachmittag, was würden Sie damit machen?

Buballa: Wahrscheinlich würde ich Musik machen. Am Wochenende reise ich gerne und schaue mir verschiedenste Dinge an.

Fachschaft: Sie sprachen eben die Faszination an. Da stellt sich jetzt die Frage: Interessieren Sie sich denn auch für andere Gebiete der Physik, auf denen sie keine Forschung betreiben?

Buballa: Grundsätzlich natürlich ja. Ich glaube, für theoretisch interessierte Leute geht meistens schon eine gewisse Faszination von den ganz fundamentalen Dingen aus. Wenn ich hier von Quarks und Neutronensternen rede, dann klingt das ja schon halbwegs abgehoben, aber es gibt auch Gebiete, die hier in Darmstadt nicht so verbreitet sind, die String-Theorie zum Beispiel. Es kommen auch ab und zu Studenten zu mir, die gern etwas in dieser Richtung machen würden, aber das macht hier halt niemand. Ich habe davon auch nicht wirklich viel Ahnung, aber interessant finde ich es schon. Auch Kosmologie finde ich sehr interessant.

Es macht manchmal aber auch einfach Spaß, ein Problem zu knacken, auch wenn einen das Problem erst mal gar nicht so interessiert hat. Deswegen glaube ich, dass es viele Gebiete gibt, die mich interessieren könnten, die ich jetzt aber gar nicht benennen kann.

Sehr nah an meinem jetzigen Forschungsgebiet liegt die Astronomie. Mit zehn Jahren habe ich beschlossen, Astronom zu werden. Ich habe populärwissenschaftliche Astronomiebücher gelesen und zum elften Geburtstag ein Teleskop geschenkt bekommen. Da der Anfang des Studiums bei beiden Fächern sowieso der Gleiche ist, habe ich mich aber für Physik eingeschrieben. In Bonn gibt es eine recht starke Radioastronomie, danach hatte ich mir die Uni auch ausgesucht. Zu Beginn meines Studiums fand ich die Astronomievorlesung aber sehr trocken und langweilig, was vielleicht auch an dem Professor lag, der sie gehalten hat. Naja, zumindest haben mich zunächst andere Physikvorlesungen mehr begeistert und ich bin dann in einen Bereich gekommen, in dem es um die Physik von kleinen Teilchen ging. Und nach ungefähr zwanzig Jahren kam dann der Bogen, dass ich meine dichte Materie jetzt auf Neutronensterne anwenden kann. Das finde ich sehr schön. Ich bin aber nach wie vor kein Astrophysiker.

Fachschaft: Also waren ihre Interessen schon immer eher theoretischer Natur.

Buballa: Ich war nie jemand, der zu Hause viel gebastelt hat. Ich hatte zum Beispiel nie einen Lötkolben, anders als einige meiner Freunde im Studium, die eigentlich alle experimentell orientiert waren. Ich glaube, als ich angefangen habe zu studieren, wusste ich noch gar nicht, dass es theoretische und experimentelle Physiker gibt. Wenn ich so im Nachhinein drüber nachdenke, fand ich den theoretischen Hintergrund immer am interessantesten. Zu der Zeit, als ich noch Astronom werden wollte, konnte ich mir aber durchaus auch vorstellen, mal nachts hinterm Fernrohr zu sitzen. Von vornherein habe ich also nicht gesagt, dass ich Theoretiker werden will. Aber als ich meine erste Theorievorlesung gehört habe, fand ich die viel interessanter als die Experimentalphysikvorlesungen davor.

Fachschaft: Wie würden Sie als Student auf die Frage „Was kann man mit Physik denn später anfangen?“ antworten?

Buballa: Ich bin nicht sicher, ob ich da der richtige Ansprechpartner bin, denn als Wissenschaftler an der Universität bin ich ja eher ein untypischer Fall. Natürlich ist das der Wunschtraum von vielen, denn man beginnt das Physikstudium ja, weil einem die Physik Spaß macht. Später hat man dann auch Spaß an der Forschung, zum Beispiel in der Bachelorarbeit. Also möchte man das dann auch weiter betreiben, aber leider ist das etwas, was nicht jedem gelingt, weil es da einfach zu wenig Stellen gibt. Allgemein heißt es aber immer, dass Physiker Universalisten sind, und ich glaube, das stimmt auch. Man lernt, sich in komplexe Vorgänge selbständig einzuarbeiten. Wenn man während des Studiums experimentelle Erfahrungen gemacht hat, kann man diese häufig auch in der Industrie anwenden. In dieser Beziehung haben es die Theoretiker sicher schwerer. Die meisten Leute, die ich kenne und die nicht in der Forschung geblieben sind, sind dann in eine Unternehmensberatung gegangen oder zu einer Bank. Während des Studiums lernt man natürlich auch, mit Computern umzugehen, aber das können andere auch. Auf alle Fälle kenne ich niemanden, der arbeitslos geworden ist. Es gibt also sicher viele Möglichkeiten und die Frage ist nur, ob man sich dann auch für diese Optionen interessiert.

Fachschaft: Gab es in Ihrer Karriere den Zeitpunkt, an dem Sie überlegt haben, in die Industrie zu wechseln?

Buballa: Ich konnte mir zwischenzeitlich eher vorstellen, als Lehrer zu arbeiten als zum Beispiel in einer Unternehmensberatung tätig zu werden.

Aber auch in der Finanzphysik gibt es spannende Themen, bei denen es darum geht, Modelle zu entwickeln, die oftmals hohe Ähnlichkeiten mit rein physikalischen Systemen haben. An sich hatte ich aber nie das konkrete Vorhaben, in diesen Bereich zu wechseln.

Fachschaft: Was trinken Sie lieber: Tee oder Kaffee?

Buballa: Ich trinke mehr Kaffee, aber auch Tee, meistens morgens einen Cappucino, nach dem Mittagessen einen Espresso und manchmal gegen Abend einen Tee. Früher war das etwas mehr. Als ich dann aber einmal gegen Nachmittag Kopfschmerzen bekommen habe, als ich morgens keinen Kaffee getrunken hatte, habe ich mir gedacht, ich zügele das ein bisschen.

Fachschaft: Angenommen, Sie würden auf eine einsame Insel verbannt werden und dürften fünf Dinge mitnehmen, welche wären das?

Buballa (schweigt kurz): Das ist ja eine berühmte Frage, aber darüber habe ich mir noch nie so richtig Gedanken gemacht. Zum einen spielt für mich Musik eine große Rolle. Ich habe eigentlich Geige gelernt, aber auf eine einsame Insel würde ich eher ein Klavier mitnehmen; das kann ich so ein bisschen. Ich finde, als Soloinstrument klingt das besser. Ansonsten ist das wirklich schwer. Natürlich mache ich meine Forschungsarbeit sehr gerne. In dem Zusammenhang ist es aber eine sehr interessante Frage, ob ich das auch machen würde, wenn ich niemanden hätte, um ihm davon zu berichten. Ich bin ganz allgemein ein kreativer Mensch und würde also auf jeden Fall etwas zu schreiben und einen Stapel Papier mitnehmen. Ich bräuchte aber wenigstens die Hoffnung, dass das, was ich dann zu Papier bringe, irgendwann mal von einem Seefahrer gefunden wird. Ansonsten lese ich zwar sehr gerne, aber von einem einzelnen Buch hätte man wohl auf die Dauer nicht so viel.

Fachschaft: Kennen Sie einen Physikerwitz?

Buballa: JA! Die Frage ist, ob mir jetzt einer einfällt. Da gibt es ja immer diese Vergleiche zwischen Experimentatoren, Theoretikern und Mathematikern; wobei die Mathematiker immer am schlechtesten wegkommen. Aber spontan fällt mir leider keiner ein.

Fachschaft: Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Interview genommen haben.

(von Michael Börner und Holger John im März 2009)

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