Professor Prömel, Präsident der TU Darmstadt

Prömel im März 2009

Seit dem 1. Oktober 2007 ist Prof. Hans Jürgen Prömel neuer Präsident der TU Darmstadt. Wir sprachen mit ihm kurz nach Amtsantritt über seine Zukunftspläne für die TU und studentisches Leben.

 

Fachschaft: Herr Prömel, warum haben Sie sich um den Posten des Präsidenten der TUD beworben?

Prömel: Man hat mich gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte und nach kurzer Überlegungsfrist habe ich kandidiert, weil mir die TUD als eine sehr interessante Universität erschien – jetzt natürlich umso mehr. Außerdem stand ich vor der Entscheidung, nach einigen Jahren als Vizepräsident an der Humboldt-Universität zurück in die Wissenschaft zu gehen oder den Schritt ins Wissenschaftsmanagement konsequent zu gehen – mit dem Angebot dieser Herausforderung ist mir die Entscheidung leichtgefallen.

Fachschaft: Wie erlebten Sie Ihr eigenes Studium?

Prömel: Das Studium war eine sehr prägende Zeit, die ich als sehr intensiv erlebt habe, sowohl das Studieren als auch das studentische Leben. Ich habe von 1974 bis 1979 Mathematik und Volkswirtschaften studiert, zunächst beides im Hauptstudium und habe auch in beiden Fächern mein Vordiplom gemacht. Das studentische Leben auch im Sinne von studentischer Mitbestimmung? Ja, ich war als Student und dann insbesondere als Mitarbeiter sehr aktiv: beispielsweise habe ich mich im Senat und in verschiedenen Ausschüssen schon damals hochschulpolitisch engagiert.

Fachschaft: Und im Rückblick: Können Sie sagen, dass es Ihnen etwas gebracht hat?

Prömel: Ja, ohne wenn und aber. Natürlich kostet es Zeit, aber es hat mich ein Stück weit geprägt, der Diskurs mit den Kommilitonen und insbesondere den Professoren und Mitarbeitern. Es hat mir geholfen, die Universität zu verstehen. Vielleicht war das für mich der Anstoß, wissenschaftspolitisch aktiv zu werden.

Fachschaft: Was waren die größten Probleme oder Schwierigkeiten in Ihrem Studium?

Prömel: Ich befürchte, ich bin inzwischen zu alt geworden. Wenn man mit hinreichendem Abstand guckt, verklären sich die Dinge leicht – früher war alles gut.

Fachschaft: Wie ist Ihre Einschätzung des Studiums von heute, auch problemlos?

Prömel: Ich glaube, Probleme hat es in jeder Zeit gegeben, für einige mehr und für einige weniger, manche haben auch ein bisschen Glück. Auch ich habe in den Semesterferien gearbeitet, um mein Studium zu finanzieren, da ich nicht den vollen BAföG-Satz bekommen habe. Wenn das in einer vernünftigen Balance ist, ist das zumutbar. Bei manchen Studierenden wird es jedoch zuviel und dann kommen ernste Probleme, heute wie damals.

Fachschaft: Sie kommen aus Berlin zu uns, wohnen Sie mittlerweile in Darmstadt?

Prömel: Ich habe 13 Jahre in Berlin gelebt, komme aber eigentlich aus NRW. Hier habe ich ein Appartement. An den Wochenenden fahre ich nach Möglichkeit zu meiner Frau nach Berlin. Sie arbeitet dort als Studienrätin, so dass ein schneller Wechsel nicht möglich ist. Mein Sohn wohnt noch zu Hause, studiert aber inzwischen in Berlin selbst Mathematik und wird auch da bleiben. Zumal er mit 19, bald 20, schon unabhängig ist.

Fachschaft: Sprechen wir über die TU. Wo sehen Sie den Schwerpunkt der TU – im technischen Bereich oder in der Universität als ganzes?

Prömel: Die Antwort ist sowohl als auch. Es ist eine technische Universität, dieses Profil müssen wir pflegen. Aber es ist auch eine Universität. Nur im Dreiklang der Ingenieur-, Natur- und Geisteswissenschaften, mit einer klaren Priorität für erstere, bleibt das ganze eine Universität. Die bisherige Aufteilung 50:35:15 finde ich gut. Die Naturwissenschaften sehe ich als Innovationsmotor für die Technikwissenschaften, vielleicht in Zukunft auch noch mehr als bisher. Die Geistes- und Sozialwissenschaften sind wichtig, unter anderem, um die Technik- und Naturwissenschaften ein Stück weit zu reflektieren, aber auch als starke und eigenständige Institute.

Fachschaft: Ihr Vorgänger hatte Pläne zur Konzentration auf „Kernkompetenzen“. Beispielsweise wurde die Mechanik bereits aufgeteilt. Haben Sie ähnliche Ambitionen?

Prömel: An der Stelle möchte ich nur abstrakt antworten. Ich befinde mich momentan im Prozess, die TU kennen zu lernen. Wenn ich alles gesehen habe, werde ich mich genauer äußern. Das Profil einer Universität ist immer eine Gratwanderung zwischen Stärkung von guten Bereichen und einer möglichst großen Breite, die Beschränkung allein auf Kernkompetenzen ist gefährlich. Und auch die Qualität muss passen: es muss in Forschung und Lehre ein Niveau erreicht werden, das der TU angemessen ist. Bei schwachen Bereichen würde ich immer die Frage stellen: Ist dieser Bereich notwendig im Konzert der TU? Dann muss er gestärkt werden, sonst sollte man in Erwägung ziehen, ihn zu schließen. Eine Universität entwickelt sich, Fächer entstehen oder werden größer, und das muss insgesamt zusammen passen. Die TU heute sieht heute anders aus als vor 50 Jahren und wird in Zukunft noch anders aussehen.

Fachschaft: Haben Sie eine Vision für die TU in fünf oder zehn Jahren?

Prömel: Das ist ein Entwicklungsprozess. Ich möchte mit der Universität diese Universität so weiterentwickeln, dass sie noch ein Stückchen weiter nach vorne kommt, gemäß ihrem Leitbild unter die Top 3 der technischen Universitäten in Deutschland zu gelangen. Das ist momentan ein Wunsch, der zunächst konkretisiert werden muss. Die gesamte TU soll dazu ein hohes Leistungsniveau erreichen. In meiner Wahrnehmung nach fünf Wochen ist sie sehr dezentral und heterogen, auch in ihrem Leistungsvermögen. Ein paar Leuchttürme ragen hervor und für andere, die ich für unser Profil für wichtig halte, muss man sich Entwicklungsmöglichkeiten überlegen. Auch um mehr Erstmittel zu fordern? Mit Sicherheit. Deutsche Universitäten haben einen großen Nachholbedarf. Die bayerischen und baden-württembergischen Universitäten sind über Jahrzehnte deutlich besser von ihren Ländern alimentiert worden als die nördlicheren. Das hat man im Exzellenz-Wettbewerb gesehen: Der Erfolg ist die Ernte von etwas, was man über Jahrzehnte gesät hat. In Hessen scheint ein Umdenken eingesetzt zu haben, wie hessische Förderungsprogramme zeigen. Wichtig ist auch eine höhere Grundausstattung, um langfristig vernünftig planen zu können und eine bessere Lehre zu ermöglichen. Prinzipiell hat Darmstadt durch sein Alleinstellungsmerkmal als einzige technische Universität in Hessen gute Argumente für verstärkte Förderungen.

Fachschaft: Was macht für Sie ein gutes Studium aus, insbesondere vor dem Hintergrund der Umstellung auf Bachelor- und Mastersysteme und die stärkere Verschulung?

Prömel: Die Verschulung des Studiums halte ich für ein Problem, mit dem man umgehen muss. Mein Mathematikstudium sah so aus, dass immer zwei, drei Jahre prüfungsfrei waren und keiner gefragt hat, ob ich in eine Vorlesung gegangen bin, und ich bin in viele Vorlesungen nicht gegangen. Am Ende musste ich meine Prüfungen machen. Ich habe diese Art des Studiums genossen. Aber viele Kommilitonen konnten damit nicht umgehen. Die Studienzeiten sind da kürzer geworden, wo man versucht hat, stärker regulierend einzugreifen. Der Trend scheint nun zur Überregulierung zu gehen. Ich habe nicht den Eindruck, dass heute mehr Stoff vermittelt wird als vor 30 Jahren, eher im Gegenteil. Mein Sohn studiert heute das gleiche wie ich damals, daher habe ich den Vergleich.

Fachschaft: Erzeugen die häufigeren Prüfungen einen höheren Leistungsdruck?

Prömel: Natürlich: Wenn man mir vorgibt, wann ich zu springen habe, ist der Stress größer, als wenn ich den Moment selbst bestimmen kann; vorausgesetzt, ich habe die Disziplin, rechtzeitig zu springen.

Fachschaft: Lässt das Freiräume, sich zu engagieren?

Prömel: Ich hoffe es. Es gehört doch zum Leben eines mündigen Bürgers und insbesondere eines Studierenden dazu. Und es gibt schließlich ein Leben außerhalb der Universität, auch wenn es nicht alle wissen. Intensiv leben und auf verschiedenen Ebenen leben kann man auch, wenn ein solcher Druck da ist. Haben Sie nicht den Eindruck, wenn Sie eine Sache intensiver betreiben, machen Sie alles intensiver? Ich würde es anders formulieren: Leute, die sich engagieren, sind meistens in allem, was sie tun, engagiert. Ok, ich sehe das auch an mir. Ich bin in neun Semestern fertig geworden und ich habe sehr viele Dinge nebenher getan. Das mag nun nicht unbedingt typisch sein, aber es ist nach wie vor möglich. Ich gebe Ihnen jedoch Recht, wenn man etwas ändert, sollte man darauf achten, ob diese Änderungen Schäden hervorrufen und diese gegebenenfalls beheben.

Fachschaft: Sehen Sie den Bachelor als vollwertigen Abschluss?

Prömel: Tendenziell halte ich den Master für den akademischen Abschluss, zumindest in den Natur- und Ingenieurwissenschaften, dort ist die entsprechende Zeit für eine umfassende Ausbildung notwendig. In den geisteswissenschaftlichen Fächern sehe ich die Situation differenzierter. Ich kann mir Zwischenmarken als Ausstieg vorstellen, die sinnvoll sein können, aber bei den meisten Studiengängen sollte das erst mit dem Master die Regel sein. Und ich gehe sogar ein Stück weiter, wenn wir über Bologna reden. Die Promotion würde ich als den ersten Zyklus der Forschung und nicht als den dritten Zyklus der Lehre betrachten. Da unterscheide ich mich deutlich von einigen Politikern.

Fachschaft: Stichwort Graduiertenschulen?

Prömel: Das würde ich nicht vermischen. Ich kann mir durchaus eine Graduiertenschule vorstellen, die das Promotionsstudium auf ein besseres Niveau hebt, ohne dass deshalb Verschulung Platz greift, die es zu einem dritten Lehrzyklus macht.

Fachschaft: Wollen Sie allen Bachelor-Studenten ungeachtet der Note, einen Masterstudiengang an dieser Uni ermöglichen?

Prömel: Das kommt auf die Möglichkeiten an, dazu würde ich aber die Universität gerne noch etwas besser kennenlernen. Zwei Dinge muss man sich dazu überlegen: Will man in der Regel die Leute aufsteigen lassen oder will man nicht sinnvoller Weise eine Zäsur setzen. Der zweite Punkt ist, ob man nicht versuchen sollte, zwischen Bachelor und Master zu einer höheren Durchmischung zu kommen.

Fachschaft: Mit anderen Universitäten?

Prömel: Ja. Einer der Vorteile der Bachelor/Master-Abschlüsse ist, dass sie unproblematische Wechsel ermöglichen, wenn man darauf achtet, dass sie anerkannt werden. Für die Internationalität und Durchlässigkeit der Universitäten sind die neuen Abschlüsse besser geeignet. Hier sollten wir den Synchronisationsprozess bundes- und europaweit nutzen und mehr Studierenden auch einen Teil des Studiums im Ausland ermöglichen. Die TU hat meines Wissens nach in diesem Bereich auch schon viel durch Abkommen erreicht, mein Vorgänger war hier sehr aktiv.

Fachschaft: Durchlässigkeit auch beim Einstieg ins Studium, beispielsweise für Schulabgänger mit Fachhochschulreife, wie es in Hessen möglich ist?

Prömel: Wenn wir selbst die Qualitätskriterien definieren können, sollten wir für eine hohe Durchlässigkeit sein. Das ist per se gut, und außerdem haben wir ein Interesse daran, gute Studierende zu bekommen. Es wäre töricht, im Ausland nach Studierenden zu suchen, wenn wir sie vor der Haustür haben und sie womöglich nur aus formalen Gründen nicht nehmen.

Fachschaft: Sind Sie Freund der Auswahl von Studierenden? Und wenn, bereits vor der Immatrikulation oder nach einer „Bewährungsphase“?

Prömel: Man muss gucken, wie das auswählen davor aussieht. Anfängern möglichst früh eine Orientierung zu geben, ob sie zum einen das Fach wirklich studieren wollen und zum zweiten, ob sie es auch studieren können, halte ich für sinnvoll. Gerade die Ingenieurwissenschaften kennen sie nicht aus der Schule. Man sollte mehr in die Vorbereitung der Studierenden investieren. Prinzipiell kann ich mir beides vorstellen: es gibt Aufnahmetests, es gibt nachgelagerte Aufnahmekriterien nach dem ersten Semester. Beide Modelle sind irgendwo sinnvoll. In jedem Fall müssen wir schauen, dass die Betreuung besser wird. Unter anderem wird versucht, und jetzt komme ich kurz zu den Studienbeiträgen, die Anzahl der Studierenden, die in die Lehre eingebunden sind, zu erhöhen. Das halte ich für sehr vernünftig.

Fachschaft: Welche Anreize könnte man schaffen, um die Tutorenstellen attraktiver zu gestalten, beispielsweise Lohnerhöhung, Freisemester, Veranstaltungen, Zertifikate?

Prömel: Wie die Vergütung letztendlich erfolgt, kann unterschiedlich gehandhabt werden, durch einen eventuell erhöhten Stundenlohn oder durch Vergabe von Freisemestern, das kommt auch etwas darauf an, was rechtlich möglich ist und was attraktiv ist. Die Relation zwischen geleisteter Arbeit und Lohn sollte jedoch stimmen. Auch Veranstaltungen zur Schulung der angehenden Tutoren können sinnvoll sein. Zumal eine solche Betreuung nicht nur einen Ausbildungseffekt für die betreuten Studenten, sondern auch für die Tutoren hat. Und dieses Soft-Skill-Training auch zu bescheinigen, erscheint mir sinnvoll. Zum Thema Bindung an die Universität: Ehemaligenarbeit könnte mit einer Abschlussfeier an der TU beginnen. An dieser Stelle müssen wir sichtbarer werden. Da ist wieder das Problem der Heterogenität. Jeder Fachbereich macht im Moment etwas für sich, was zum Teil sehr schön ist, aber nicht die TU als Ganzes im Blick hat. Das gilt für die Begrüßung der neuen Studenten wie für die Verabschiedung der Absolventen. Ich denke gerade an eine zentrale Semestereröffnung, die jedoch nicht die spezifischen Einführungen der Fachbereiche ersetzen soll. Die Corporate Identity der TU Darmstadt ist noch sehr schwach, eine entsprechende Kultur muss sich noch entwickeln. Die Kontaktpflege zu Absolventen ist noch einmal ein anderes Thema. Das kostet zunächst Geld, das wir nicht übrig haben.

Fachschaft: Herr Prömel, wir danken Ihnen herzlich für das ausgiebige Gespräch.

 

(Das Gespräch führten Berit Heggen (FS Chemie), Andreas Marc Klingler (FS Informatik) und Philipp Tielmann (FS Wirtschaftsingenieurwesen) Ende 2007)

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